Geld für Gangster

Cartoon: Rainer Hachfeld


Wer die Repräsentanten der EU über die aktuellen Krisen und das daraus resultierende menschliche Leid reden hört, wird sich zunächst über so viel Hilfsbereitschaft und Empathie freuen – bis er/sie sich die Taten, die den Worten folgen, näher ansieht: Während etwa Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Abkommen mit Tunesiens korrupter Regierung unterzeichnet, lässt diese in den Wüstenregionen des Landes Flüchtlinge verdursten. In ganz Nordafrika werden von der Europäischen Union Militärregimes großzügig alimentiert und bewaffnete Banden geschmiert, um Asylbewerber vom Abendland fernzuhalten.


Leere Kassen? Etwas ist noch da!


Überall in den EU-Staaten wird lamentiert, die Krisenserie der letzten Jahre, von Corona über den Krieg in der Ukraine bis hin zu Sanktionen mit Bumerang-Effekt, habe die pekuniären Ressourcen erschöpft. Am lautesten aber klagt die Berliner Politik und macht gleich konstruktive Vorschläge, wie die Lasten nach unten abgewälzt werden könnten.

Finanzminister Christian Lindner denkt laut darüber nach, das Bürgergeld auf dem jetzigen (niedrigen) Stand einzufrieren. Die CDU möchte solche Almosen am liebsten ganz abschaffen, und die Junge Union demonstriert, dass sie die bessere FDP ist, indem sie mosert, die Rentenerhöhung ab kommendem Juli, die den durch drei Inflationsjahre entstandenen Kaufkraftverlust bei Weitem nicht ausgleichen kann, falle zu üppig aus.


Aber trotzdem muss Geld im Überfluss da sein. Jedenfalls zaubern EU-Kommission und Ampel-Regierung doch immer wieder enorme Mittel herbei, um bestimmte Klientel-Gruppen und ihre Lobbyisten bei Laune zu halten. So werden die Bauern (eigentlich für Renaturierung vorgesehene) Zuwendungen ausgerechnet dafür erhalten, dass sie keine Flächen für ökologische Erholung stilllegen und somit absolut nichts gegen den Klimawandel und für den Naturschutz unternehmen. Natürlich soll auch die Wirtschaft steuerlich entlastet werden, während Erleichterungen für die Bürger erst mal in die ferne Zukunft verschoben wurden, bis sie irgendwann gänzlich vergessen sind.


Die Rüstungsindustrie wird allerorten hochgepäppelt und ihre Produktion zu hohen Preisen aufgekauft sowie teilweise exportiert. Dabei lässt man die Überlegung außer Acht, dass Verhandlungen – auch mit dem Aggressor Putin – möglicherweise weniger Milliarden und ukrainische Menschenleben kosten würden. Verhandeln und auch Paktieren mit Kriegsverbrechern wäre für die EU ja nichts Neues, wie wir weiter unten noch feststellen werden.


Und dann bleibt immer noch eine Riesensumme übrig, die Brüssel, besonders eifrig von der Berliner Regierung und der deutschen EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen dazu animiert, gewissenhaft dafür verplant, Flüchtlinge in prekären oder sogar lebensgefährlichen Verhältnissen zu halten, sie jeder Hoffnung zu berauben, ihnen lediglich das bloße Dahinvegetieren zu gestatten und Völkerrecht im Akkord zu brechen.


Milliarden gegen die Flüchtlingskonvention


Das Militärregime in Ägypten wird im Laufe der nächsten vier Jahre 7,4 Milliarden Euro in Form von Darlehen, Investitionen und Zuschüssen erhalten. Als Gegenleistung soll Diktator Abd al Fattah al Sisi die vor den Kriegen im Sudan geflohenen Menschen daran hindern, von der nordafrikanischen Mittelmeerküste aus nach Europa überzusetzen und dort ihr von der 1951 in Kraft getretenen Genfer Flüchtlingskonvention garantiertes Recht, Asyl zu beantragen, wahrzunehmen. Ein ähnliches Abkommen wurde bereits 2016 mit der Türkei geschlossen und war der EU damals 6 Milliarden Euro wert.


Auch wenn die in Erdoğans Autokratie Gestrandeten oft genug Opfer von Fremdenhass und Behördenwillkür wurden – Ägypten ist noch ein ganz anderes Kaliber: Die Armee des Landes führt als Teil einer Militärkoalition einen völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen, ist am blutigen Chaos in Libyen beteiligt und füllt die Gefängnisse mit Oppositionellen. NGOs werfen Kairo vor, in der Vergangenheit Flüchtlinge inhaftiert, gefoltert und – etwa nach Eritrea und mittlerweile auch in den Sudan – zurück deportiert zu  haben.


Entzückend Ursulas ägyptischesWachhündchen an der Schwelle zur EU! Und wie ihm Streicheleinheiten und deftige Zuwendungen munden... 


Rund zehn Millionen Menschen befinden sich derzeit im Sudan auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg, knapp zwei Millionen haben sich ins Ausland gerettet. Ganz unbeteiligt scheint die EU an der Entstehung des Konflikts und damit des Massenexodus nicht gewesen zu sein, denn sie kooperierte früh zur „Flüchtlingsabwehr“ mit den Rapid Support Forces (RSF), die ab 2003 Massaker in der westlichen Provinz Dafur begangen hatten. Heute attackieren diese Milizionäre die reguläre sudanesische Armee und ziehen eine Blutspur durchs ganze Land.


Vor wenigen Wochen wurde auch mit Mauretanien ein lukrativer Deal geschlossen. Rund 600 Millionen sollte das dortige Regime dafür erhalten, Migranten auf ihrer Flucht mit Kurs auf die Kanarischen Inseln zu stoppen. Die Blaupause für Vereinbarungen im nordafrikanischen Raum, mit deren Hilfe die humanitäre Einigelung der Festung Europa undurchlässig gemacht werden soll, unterzeichneten am 16. Juni 2023 Ursula von der Leyen und die sich zunehmend islamistisch und totalitär gebärdende Regierung in Tunis. Wie die NGO Human Rights Watch (HRW) dokumentierte, verdursteten zur gleichen Zeit mindestens 27 Asylsuchende, die von den tunesischen Behörden in der Wüste nahe der algerischen Grenze ausgesetzt worden waren. Die EU mache sich mit ihrem Flüchtlingsabwehrdeal zur Komplizin von Menschenrechtsverbrechen, kommentierte HRW. Immerhin stieg Tunis drei Monate später aus dem Abkommen aus und zahlte 60 bereits ausgezahlte Millionen Euro zurück.


Alternativen geflissentlich ignoriert


Der Kolonialismus vergangener Zeiten, die jetzigen Handelsimperien und eine erpresserische Freihandelspolitik, die afrikanische Bauern und Fleischproduzenten ruiniert, kennzeichnen Europas Mitverantwortung für die Tragödien auf dem Schwarzen Kontinent. Dies hindert die stets die Menschenrechtsflagge hissende EU jedoch nicht daran, sich ihren humanitären Verpflichtungen in Form von gut organisierter Immigration und Integration zu entziehen. Also wird das derzeit angeblich so knappe Geld an korrupte Despoten oder Gangster wie die libyschen Küstenwachen oder die berüchtigten Dafur-Milizen gezahlt – Söldner, die unsere Regierungen vor dem Zorn der Rassisten schützen sollen, indem sie Verzweifelte weit vor unseren Grenzen abfangen. Selbst wenn man Menschenrechte und Wiedergutmachung (wie gewöhnlich) ignorieren würde, müsste einem/r doch selbst in rein ökonomischem Sinn Besseres für die Verwendung der Mittel einfallen.


Zumal die kostspielige Strategie nicht funktioniert. Entweder zeigen sich die Alliierten wankelmütig wie Mali und Niger, wo die Bundeswehr, die ihre drei Milliarden Euro schwere Sahel-Mission auch zum Stopp der Flüchtlingsströme aus den Staaten südlich der Sahara nutzen wollte, mit Fußtritten verabschiedet wurde; oder die verzweifelten Menschen suchen sich andere, noch gefährlichere Routen und vertrauen sich noch brutaleren Schleppern an.


Warum stellen die Verantwortlichen die allgemeine Erkenntnis, dass es in Deutschland an Mitarbeitern im Pflege- und Erziehungsbereich, im Handwerk, in der Dienstleistung etc. fehlt, nicht in Bezug zu dem  Angebot an Arbeitskräften, das uns die Migration macht? Statt in armen Ländern, die dort kostenlos ausgebildeten (und dringend benötigten) Fachkräfte abzuwerben, sollten Voraussetzungen für Lehre und Studium hierzulande bzw. sofortige Arbeitsaufnahme, abgesichert durch qualitativ hochwertigen, begleitenden Sprachunterricht, geschaffen werden. Das käme sicherlich nicht billig, würde sich aber innerhalb kurzer Zeit für die gesamte Gesellschaft lohnen. Die Mittel sind vorhanden, nur fließen sie derzeit noch in die Taschen erpresserischer Despoten und skrupelloser Warlords.


03/2024


Dazu auch:


Verfemte der Wüste (2023) im Archiv der Rubrik Medien


Her mit den Migranten! im Archiv von Politik und Abgrund (2019)