Der oberste Lakai


Vom großen MAGA-Führer in den Vereinigten Staaten sagt man hierzulande gern, dass er sich alles erlauben könne, ungeachtet der Gesetzeslage, jeglicher Logik oder eines demokratischen Grundverständnisses: Legal? Illegal? Scheißegal, was er sagt und tut! Nun färbt diese ungehemmte Bedenkenlosigkeit, gepaart mit teils irrer, teils berechnender Hyper-Aktivität, auch auf Politstars anderer Länder ab, bei uns nicht zuletzt auf Markus Söder, der ebenfalls eine Sau nach der andern durchs Dorf treibt. Und wie der ADHS-Crack im Weißen Haus schart auch der bayerische Ministerpräsident auf seinem erratischen Kurs eine Crew um sich, die wirkt, als sei sie aus der Geisterbahn abgeworben worden. Aus dem Haufen dieser blinden Lotsen und schwankenden Steuerleute aber ragt ein erfahrener Seebär mit mehr Kerben auf dem Holz als Denkerfalten auf der Stirn heraus…


Alexander der Versager


Irgendwie eifert die bayerische Christenunion dem großen Berserker Trump kontinuierlich nach, wenn auch in bescheidenerem Maßstab und mit angezogener Handbremse. Der bevorzugte Trick bei dieser Art des Aktionismus besteht darin, den politischen Gegner (oder Feind) alle fünf Minuten mit einer neuen Ankündigung, Drohung oder Beleidigung zu überraschen, bis dieser jeglichen Durchblick verliert und sich wehrlos dem Chaos ergibt. Nun nimmt Markus Söder den Mund zwar ebenso voll wie Donald T., doch erreicht er nicht ganz dessen alle kritischen Nachfragen überrollendes Tempo, so dass die kurzen Beine seiner Unwahrheiten noch weithin sichtbar bleiben – etwa, wenn er sich selbst für sozialen Wohnungsbau (der de facto nicht stattfindet), beispielhaften Windkraftausbau im Freistaat (tatsächlich blowing in the wind) oder vorbildliche Verkehrsinfrastruktur (siehe Milliardengrab Münchner S-Bahnstammstrecke 2) lobt.


Was den Ministerpräsidenten allerdings mit dem Selbstdarsteller in Washington verbindet: Beide verfügen über ein Team zu allem entschlossener Helfer, die sich in beinahe sektiererischer Art und Weise dazu verschworen haben, sämtliche Amts- und Treueeide nicht auf das Wohl des Volkes, des großen Lümmels (Heinrich Heine), sondern auf  ihren jeweiligen Herrn abzulegen. Wo aber Trump auf laute, hasserfüllte Schwergewichte wie Vance oder Musk zählen kann, bleiben Söder nur blasse Gestalten wie die vorwitzige Dorothee Bär, der devote Klaus Holetschek oder – als stumpfe Allzweckwaffe – der multiple Versager Alexander Dobrindt.


Letzterer ist der lebende Beweis dafür, dass die CSU ihre einmal gescheiterten Größen fürsorglich wieder in ihr politisches Machtstreben eingliedert, im Falle von Dobrindt, der seinen Herren Seehofer und Söder stets ein gehorsamer Knecht, seinem Vaterland aber eine teure Last war, sogar an vorderster Gestaltungsfront.


Mitsprache als Reha-Maßnahme


Mögen auch viele Bundesbürger sich darüber wundern, dass ausgerechnet der früher wegen seiner großkarierten Anzüge belächelte, ansonsten aber konturlose Oberbayer neben seinem Chef am Berliner Koalitionsverhandlungstisch sitzt und sogar als künftiger Bundesminister eines gewichtigen Ressorts gehandelt wird – beides ist nicht neu und hat Methode. Bereits 2017 war er von seinem damaligen Boss Seehofer als CSU-Emissär für das Zustandekommen einer GroKo-Regierung, die so dröge vor sich hantierte, dass sie 2021 von der irrlichternden Ampel abgelöst wurde, nominiert worden.


Zuvor hatte Alexander Dobrindt schon im Bundeskabinett gewirkt, und zwar als Star des trio infernale der schlimmsten CSU-Verkehrsminister. Nicht sein Vorgänger Ludwig Ramsauer und auch nicht der später arg gescholtene Andreas Scheuer waren nämlich Mastermind (böse Zungen sprechen auch von Simplemind) hinter den Plänen zu einer vernunfts- und rechtswidrigen PKW-Maut für Ausländer gewesen, der Architekt des Desasters hieß vielmehr Dobrindt. Wie vorauszusehen, stoppte die EU das Vorhaben gerichtlich, als es der unbedarfte Nachfolger Scheuer exekutieren wollte. Da bereits Verträge mit Mauteintreibern geschlossen worden waren, musste die BRD 243 Millionen Euro an diese zahlen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Dobrindt bereits aus der Schusslinie gebracht.
Er war auch dadurch aufgefallen, dass er den VW-Abgasskandal zu vertuschen suchte, indem er die vom Kraftfahrtbundesamt erhobenen Messergebnisse der Öffentlichkeit und insbesondere Greenpeace verschwieg. Auch sonst erwies er sich im Amt als verlässlicher Lobbyist der Kfz-Industrie, der das Land mit zu teilweise überhöhten Kosten gebauten Autobahnen versiegeln ließ.


Für das Maut-Desaster musste er nicht geradestehen, da er sich 2017 ins Asyl der Unionsfraktion im Bundestag geflüchtet hatte, wo er alsbald zum Landesgruppensprecher der CSU-Abgeordneten aufstieg. Quasi als Reha-Maßnahme durfte er im selben Jahr bei den Koalitionsverhandlungen mitreden – und darf es auf Geheiß von Söder auch 2025 wieder. Es kann einem/r durchaus bange werden hinsichtlich der Zukunft der nächsten Regierung und des ganzen Landes.


Am bayerischen Wesen…


Die Frage bleibt, warum sich der bayerische Ministerpräsident, der seine Ambitionen, dereinst Kanzler zu werden, noch nicht begraben hat, mit höchstens durchschnittlichen Vertrauten umgibt und einen derart vorbelasteten Mann wie Dobrindt an der Spitze eines wichtigen Ressorts platzieren will. Sicherlich liegt es auch daran, dass es der CSU im Augenblick an brillanten Scharlatanen und bodenständigen Volkstribunen fehlt. Entscheidend dürfte aber Söders Taktik sein, sich mit Jasagern zu umgeben, die ihm bedingungslos ergeben sind. Der egomanische Franke, mit überschaubaren analytischen Fähigkeiten, aber enormem populistischen Talent gesegnet, braucht Mitarbeiter, die irgendwie in seinem Sinn funktionieren, keine potenziellen Konkurrenten – auch darin Donald Trump nicht unähnlich.


Und Alexander Dobrindt befleißigt sich der in Bayern so beliebten rustikal-grobschlächtigen Sprache. Diese demagogische Rhetorik befanden selbst Linguisten höchster Würdigung wert: Seine beispiellos inhumane Kurzdefinition Anti-Abschiebe-Industrie für NGOs, die Flüchtlinge retten und integrieren helfen, wurde zum Unwort des Jahres 2018 gekürt. Über die Grünen befand er, diese seien „keine Partei, sondern der politische Arm von Krawallmachern, Steinewerfern und Brandstiftern.“  Die Abgeordneten der Linkspartei wollte er allesamt vom Verfassungsschutz überwachen lassen, um ein Verbotsverfahren einleiten zu können. Die semi-diktatorische Praxis des US-Präsidenten, sich über den Kongress in Washington hinwegzusetzen, lobte er hingegen: Trump beweise jeden Tag mit seinen Dekreten, dass er in der Lage sei, politische Veränderungen herbeizuführen.


Bei all seiner geistigen Eindimensionalität kann man Alexander Dobrindt allerdings einen gewissen Einfluss auf das politische Geschehen hierzulande nicht absprechen. Mit seinen verbalen Entgleisungen und Diffamierungen hat er der AfD das Terrain bereitet und wird sie wohl auch weiterhin auf ihrem Marsch durch die Parlamente hilfreich begleiten.


04/2025


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